Mainz. Wer glaubt, Sharing ist ein Phänomen des neuen Jahrtausends, der irrt. Schon seit 1994 bringt der Mainzer Tauschring, auch Talentmarkt genannt, Menschen zusammen, die ihre Fähigkeiten anderen unentgeltlich zur Verfügung stellen. Einer von ihnen ist Dennis. Das geteilte Leben hat den 33- Jährigen getroffen und
Wie funktioniert der Talentmarkt eigentlich?
Im Prinzip ist es eine organisierte Nachbarschaftshilfe. Man lernt eine Menge Leute kennen, und jeder davon hat bestimmte Hobbys und Fähigkeiten: Damit unterstützen wir uns gegenseitig. Ich putze zum Beispiel nicht gerne Fenster, kann aber gut mit Computern umgehen. Würde mir also jemand die Fenster putzen, dann repariere ich ihm den Laptop.
Was hat dich motiviert, dein Talent im Talentmarkt zur Verfügung zu stellen?
Ich habe Wirtschaft studiert und nach Alternativen zu unserem Wirtschaftssystem gesucht, in dem man nur mit Geld zahlt. So bin ich auf den Tauschring gestoßen. Dort ist die Währung eine andere, nämlich Zeit. Die ist bei jedem gleich. Egal wer du bist, die Zeit ist immer das gleiche Wert.
Ist denn aber Zeit nicht genau wie Geld eine begrenzte Ressource, über die nicht jeder im gleichen Maße verfügt?
Klar. Aber der Tauschring verlangt von niemandem, rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Es muss fair bleiben, dass nicht der eine mehr macht als der andere.
Damit es fair bleibt, rechnet der Tauschring Zeit in „Talente“ um. Ein Talent entspricht einer viertel Stunde Zeit, in der ich jemand anderem geholfen haben. Eine Stunde Arbeit wird also mit vier Talenten belohnt, die ich wiederum für Hilfe von anderen einlösen kann. Butter bei die Fische, wie hoch ist dein Kontostand, Dennis?
Jedes Jahr bekommen wir ein neues Blatt, auf dem wir alle Ein- und Ausgaben von Talenten eintragen. Quasi ein Kontoauszug. Im Moment habe ich ein Guthaben von 112 Talenten auf dem Konto. Das ist schon ordentlich finde ich.
Welche Talente werden denn besonders häufig nachgefragt?
Ich glaube, Computerarbeiten sind oft gewünscht.Aber auch Handwerkliches wird oft benötigt. Gelernte Handwerker gibt es nur leider nicht so viele im Tauschring, da ist auf jeden Fall noch Bedarf.
Ist Facebook mit Gruppen wie freeyourcraft oder freeyourtime keine „Konkurrenz“ für den Tauschring?
Der Tauschring basiert auf Vertrauen, wir kennen uns ja alle. Bei Facebook sind die Leute anonym und deshalb auch nicht immer so zuverlässig. Da liest man doch immer wieder das jemand nicht kam, die Vereinbarung nicht eingehalten hat. Facebook ist flüchtiger, anonymer im Gegensatz zum Tauschring.
Danke für deine Zeit!
50 Aktive Mitglieder hat der Mainzer Tauschring derzeit. Neue Talente sind jederzeit herzlich willkommen. Gefragt sind alle denkbaren Fähigkeiten, von Reparaturen über Babysitting bis Yoga und Massage. Die Beitrittsgebühr beträgt fünf Euro, einmal im Jahr sind sechs Euro Mitgliedsgebühr fällig. Alle angebotenen Dienstleistungen sind grundsätzlich kostenlos und werden im passwortgeschützten Mitgliederbereich der Homepage veröffentlicht. Einmal im Monat bietet ein offener Stammtisch im Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZSL) die Möglichkeit, andere Mitglieder kennen zu lernen und sich auszutauschen. Hier klicken für mehr Informationen zum Mainzer Tauschring oder den Wiesbadener Tauschringen
das geteilte Leben 