Im Taschenparadies

Die Mittagshitze hält mich nicht ab, ich bin auf Schatzsuche. Deshalb zieht es mich heute in die Mainzer Oberstadt, hier warten zwei besondere Schätze auf Abholung. Nach kurzer Suche ist die Adresse gefunden, es kann losgehen. Ich drücke erwartungsvoll den Klingelknopf.

Nur eine Stunde vorher ist der Post bei „Free your Stuff Mainz“erschienen: Drei Taschen in der Mainzer Oberstadt abzugeben 🙂 (Smiley im Original!). Die Analyse des anhängten Fotos ergibt: Zwei von drei sind hübsch, die dritte ist nicht so mein Geschmack. Ich zögere kurz, dann schlage ich mittels der Kommentarfunktion zu: „hätte Interesse an der türkisen und der Schwarzen!. Erst mal passiert nichts, bange Minuten lang. War ich zu langsam? Nein, war ich nicht – nach zehn Minuten kommt eine Nachricht, ich kann die Objekte meines Begehrens noch heute abholen. Zwei weitere Nachrichten tauschen wir aus, dann habe ich die Adresse erhalten und recherchiert, wie mich der ÖPNV dorthin bringt. Ich springe in die nächste Bahn und los gehts.

Mehr als 22.000 Mitglieder hat die Gruppe aktuell. Angeboten wird hier alles: Nützliches, Kitschiges, Skurriles. Ein Auszug aus den Geboten des heutigen Tages: Kleidung, diverse Taschen, ein Standmixer, Paletten und Kinderspielzeug. Hier wird aber nicht nur angeboten, was nicht mehr gebraucht wird, die Gruppe bietet auch ein Forum für Notlagen. Da hat zum Beispiel eine Waschmaschine gerade das zeitliche gesegnet – Ersatz wird dringend gesucht.

Die Regeln sind simpel:

„Diese Gruppe ist eine Verschenkplattform für Gegenstände in und um Mainz.
Es dürfen Gebote und Gesuche gepostet werden. Alles ist KOSTENLOS! Vor jedes Gesuch ist ein „NEED“ zusetzen, vor jedes Gebot ein „GIVE“
Die Inserate dürfen ausschließlich Gegenstände betreffen!“

Relativ lang ist dagegen die Liste der Dinge, die nicht gepostet werden dürfen:

„Lebewesen, Downloads, Körperliche Gefälligkeiten, Dienstleistungen, Wohnungsgesuche/ Angebote, Jobgesuche und -angebote, Mitfahrgelegenheiten, illegale Gegenstände, Raubkopien, Medikamente, Drogen, Tauschangebote und Gesuche, Angebote gegen, Gegenleistungen, Fundsachen, Suche nach Gestohlenen Gegenständen.

Die Anbieter entscheiden, wer letztlich den Zuschlag für das angebotene Objekt bekommt. In der Regel gilt aber „First come, first serve“.

Meine neuen Taschen sind mir jetzt ganz nah. Anbieterin Jana erwartet mich an der Wohnungstür, an der Hand hält sie zwei kleine Kinder. Die Taschen streckt sie mir schon entgegen, die Kinder wollen ins Freibad und sie hat es deshalb ein bisschen eilig. Dezent klischeegeleitet hatte ich fest mit einer Studentin gerechnet, die ihr WG- Zimmer ausmistet. Jana entpuppt sich aber als Schriftstellerin, auf Anfang 40 schätze ich sie. Sie ist ein FreeyourStuff- Neuling, erst seit einem Monat ist sie dabei wie sie sagt. „Aber meine großen Kinder sind da sehr aktiv. So bin ich drauf gekommen.“ Abgestaubt hat sie bisher noch nichts, nur einmal hat sie etwas hier gesucht: „Aber das Gesuchte wurde dann leider gerade nicht angeboten.“

Die Ausbeute des Tages und echte Schnäppchen: meine beiden neuen Taschen!
Die Ausbeute des Tages und echte Schnäppchen: meine beiden neuen Taschen!
Foto: Lisa Bergmann

FreeyourStuff ist eben auch ein bißchen Glückssache, der Zufall entscheidet ob es das, was man braucht, auch gerade gibt. Ich hatte jedenfalls heute Glück, mit meinen zwei hübschen Taschen im Schlepptau fahre ich zufrieden zurück nach Hause. Und habe nicht nur zwei dekorative Transportbehältnisse abgestaubt, sondern auch einen neuen Menschen kennengelernt und eine Geschichte zu erzählen.

Was habt ihr mit Free your Stuff erlebt?

 

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